Geschichte - Söflingen

Bewertung: 4.6/5
Direkt zum Seiteninhalt
Geschichte

Vorgeschichte

Erstmals urkundlich erwähnt wird am 25. Juli 1237 auf einem Gelände „auf dem Gries“ östlich der staufischen Reichsstadt Ulm eine klösterliche Gemeinschaft von „ Schwestern der hl. Elisabeth“. „Gries“ weist auf sandiges Land am Donauufer hin und lag außerhalb des Gänstors, das damals Griestor genannt wurde. Das Kloster selbst lag westlich der heutigen Gänstorbrücke in der Gideon-Bacher-Straße zwischen Zeughaus- und Griesbadgasse.
Der „Edle Ulrich von Freiberg überträgt das ihm von seinem Bruder Peregrin von Hürbel erblich angefallene Eigenthum an drei Hofstätten auf dem Gries in Ulm an die Schwestern der heiligen Elisabet daselbst“ heißt es in der Urkunde. Die Landgräfin Elisabeth von Thüringen, die 1231 gestorben war, wurde bereits 1235 heilig gesprochen. Deshalb wird es „auf dem Gries“ schon vor 1237 eine klösterliche Niederlassung gegeben haben, die aber erst nach dem Tod der hl. Elisabeth deren Namen angenommen haben konnte, und die Schenkungsurkunde des Ulrich von Freiberg war wohl nur Abschluss einer Besitzübergabe.
Nach Karl Suso Frank OFM reichen die Ursprünge der Gemeinschaft noch weiter zurück.
Aus der religiösen Situation des Mittelalters heraus ist zu vermuten, dass es zunächst einen Zusammenschluss frommer Frauen gab. Bereits im 12. Jh. waren viele neue Ordensgemeinschaften entstanden, und diese Bewegung findet besonders in der Frauenwelt ihre Anhängerschaft.
Bald wehren sich aber die Mönchsorden gegen die pastorale und wirtschaftliche Verantwortung und Sorge für die Nonnen, doch diese schließen sich in eigenständigen klösterlichen Gemeinschaften zusammen. 1216 schließlich gestattet Papst Honorius III. den frommen Frauen, „in Gemeinschaftshäusern zu gegenseitiger Ermahnung und Erbauung“ zusammenzuleben, als klösterliche Frauengemeinschaften ohne Anschluss an einen bestehenden Orden und ohne Annahme einer festen Ordensregel.
Da dieser „regellose“ Zustand dem mittelalterlichen Denken aber widerspricht, wird ihnen schließlich eine Ordensregel auferlegt. Um bestehen zu können, muss sich die religiöse Frauenbewegung unter den Schutz eines anerkannten Ordens stellen und sich zu dessen Lebensordnung bekennen. Diese Voraussetzungen findet sie in den neuen Orden des 13. Jhs. – Dominikaner und Franziskaner geben den Frauen in ihren Orden eine geistige Zuflucht.
Somit sind die Schwestern „auf dem Gries“ zunächst noch keine Klarissen, vielmehr ein Zusammenschluss frommer Frauen, die wohl aus Begeisterung für die heilige Elisabeth  deren Namen annehmen. Der Anschluss an die Franziskanermönche muss aber um 1239 erfolgt sein, da Urkunden aus diesem Jahr sie bereits als Klarissen ausweisen. Schließlich, am 15.März 1239, gibt ihnen Papst Gregor IX. die „Regel des hl. Damian“. Außerdem wurde nach einer Urkunde vom November 1239 das Kloster erweitert; denn „König Konrad IV. nimmt das im Bau begriffene Frauenkloster des Ordens vom heiligen Damian bei Ulm ... in seinen Schutz ...“. Jetzt beginnt die Verbindung zur hl. Klara von Assisi (1194 – 1253). Klara Sciffi, Tochter eines Edelmannes aus Assisi, hatte sich 18-jährig Franz von Assisi angeschlossen. 1212 wurde sie in das Ordensleben eingeführt und konnte sich kurz darauf mit einigen Gefährtinnen im Kloster in San Damiano niederlassen. Die Ordensregel verlangte aber ein äußerst strenges Leben, jedoch durfte das Kloster Besitz erwerben und über Eigentum verfügen – von den einzelnen Schwestern wurde persönliche Besitzlosigkeit gefordert. An diese Regel halten sich nun ab 1239 die Ulmer Schwestern. Die geistige Betreuung wird den Franziskanern zugewiesen, die sich seit 1229 in Ulm niedergelassen hatten.

Übersiedelung nach Söflingen

Weshalb erfolgt aber jetzt eine Verlegung des Klosters nach Söflingen? Vielleicht sind es die unsicheren kriegerischen Zeiten, die das Kloster außerhalb der Stadtmauern bedrohen, vielleicht auch die Wohnverhältnisse im Kloster selbst, die eine Verlegung wünschenswert erscheinen lassen: beide Argumente erscheinen plausibel. Nun treten die Grafen von Dillingen in Erscheinung: ihnen sei der Wunsch nach einer Verlegung zu Ohren gekommen. Am 13. Januar 1258 dann wird eine Schenkungsurkunde ausgestellt: Graf Hartmann von Dillingen vermacht allen Söflinger Besitz derer von Dillingen dem Klarissenkloster.
Vermutlich war das ganze Söflinger Gebiet früher Königsgut gewesen und im 11. Jh. als Reichslehen an die Grafen von Dillingen gegangen, die auch Vögte der Ulmer Pfalz waren. Doch bereits einige Jahre zuvor muss das Kloster nach Söflingen verlegt worden sein, da die Schwestern dort mit Billigung des Grafen „für 72 Schwestern der hl. Klara ein Kloster gegründet haben, und zwar, als die hl. Klara noch lebte“. Danach muss die Verlegung vor 1253, dem Sterbejahr der hl. Klara, erfolgt sein. Beleg dafür ist auch eine Urkunde vom 21. Oktober 1252, mit der Papst Innozenz IV. dem Kloster in Pfullingen die Ordensregel der Klarissen genehmigt hatte. Für die praktische Einführung der Regel sorgten Klarissen aus Söflingen. Das Datum der offiziellen Güterübertragung von 1258 ist wohl Abschluss des Umzuges und Vollendung des Neubaus. Das bisherige Kloster blieb aber bis zum Verkauf an die Stadt Ulm Mitte des 16. Jhs. im Besitz der Klarissen. Dann wurde es ein Waisenhaus, das 1812 aufgehoben wurde. Danach wurde es als Militärgefängnis genutzt.
Im Laufe der Jahre wird es dann durch weitere Schenkungen – vor allem durch den schwäbischen Adel und durch die vornehmen Stadtgeschlechter Ulms und anderer Städte – sowie durch Erwerbungen zum reichsten Klarissenkloster in Deutschland. Dies bedeutet aber nicht, dass jetzt einfach „Reichtümer“ angesammelt wurden. Das Kloster war vielmehr ein kleines Staatsgebilde mit den vielfältigsten Aufgaben und Verpflichtungen – um 1800 waren es rund 4000 Untertanen – so dass man froh sein durfte, wenn am Ende des Jahres ein „ausgeglichener Haushalt“ erwirtschaftet werden konnte.
Mit dem Ortswechsel erfolgt auch eine Namensänderung des Klosters. Erstmals in einer Urkunde vom 28. August 1258 werden „ Schwestern vom Garten der heiligen Maria in Söflingen“ genannt. Der Name der Söflinger Klosterkirche „Mariä Himmelfahrt“ kann zum einen auf die Verbundenheit der Schwestern mit der Abtei Reichenau und der dortigen gleichnamigen Kirche deuten – im Ulmer Urkundenbuch finden sich immer wieder Nachweise über Stiftungen oder Übertragungen von Reichenauer Besitzungen an die Klarissen; vielleicht entsteht er aber auch aus der Frömmigkeit der Schwestern oder ist einfach Wunsch der Stifter.

Kirchlicher und staatlicher Schutz

Die Schwestern vom „Garten der heiligen Maria“ in Söflingen hatten nun also eine neue Heimat gefunden – der Platz in Ulm war aufgegeben worden. Wichtig war aber auch eine geistlich-rechtliche Heimat innerhalb der Ordensfamilie. Diese war bereits durch den Anschluss an die Franziskaner noch zur „Ulmer“ Zeit erfolgt und wird jetzt auch nach Söflingen mitgenommen.
Ebenfalls übertragen wird der päpstliche Schutz, der von Anfang an auf dem Kloster ruhte, und 1258 bestätigt Papst Alexander IV. den Schwestern „für ihren neuen Wohnsitz die Rechte und Freiheiten ihres früheren Wohnsitzes“. Zudem erweitert 1280 Papst Nikolaus III. den päpstlichen Schutz für Söflingen auf alle Untertanen und Güter des Klosters. Darüber hinaus besteht auch ein bischöflicher Schutz. Zum einen gibt es eine enge Bindung zum Domprobst von Augsburg. Bischof ist dort Hartmann von Dillingen, der Sohn des Grafen Hartmann von Dillingen, der die Schenkungsurkunde für das Kloster ausgestellt hatte. Zum anderen bezieht sich der bischöfliche Schutz aber auch auf den zuständigen Diözesanbischof in Konstanz.
Nicht weniger wichtig ist der Schutz durch die staatliche Gewalt. Bereits 1239 hatte König Konrad IV. das „im Bau begriffene Kloster in Ulm in seinen Schutz genommen und demselben den Gütererwerb erlaubt“. Strittig bleibt aber das rechtliche Verhältnis zur Reichsstadt Ulm. Kaiser Karl IV. z.B. nennt diese 1356 als Schirmherr. Die Klarissen erreichen jedoch, dass sie wie bisher auch in Zukunft nicht „vogtbar“ sind. Trotzdem leitet Ulm immer wieder Herrschaftsansprüche ab, die aber vom Kloster stets zurückgewiesen werden. Dieser Streit soll bis 1773 andauern: Erst durch den Spruch des Reichskammergerichts in Wetzlar und des Reichshofrats in Wien verzichtet Ulm auf jegliche oberherrschaftlichen Ansprüche über Söflingen, und 1775 wird das Kloster in den freien Kreis- und Reichsstand erhoben.



Klosterleben

Die Leitung des Klosters im Innern und die Vertretung der Gemeinschaft nach außen erfolgt durch die Äbtissin. Sie wird im Regelfall auf Lebenszeit gewählt; wahlberechtigt sind alle Professschwestern ab dem 12. Lebensjahr. Ihr zur Seite stehen verschiedene Ratsschwestern. Für Teilaufgaben und wichtige Dienste bestellt die Äbtissin besondere Amtsschwestern, so z.B. die Windenschwester, die die Aufsicht über das Sprechgitter und die dort angebrachte Winde führt. In Söflingen war das Windenhaus übrigens das heutige Pfarrhaus.
Die Schwestern trennen sich in Chor- und Laienschwestern, wobei erstere den eigentlichen Konvent bilden. Besonderes Augenmerk wird auf die persönliche Armut der Schwestern gelegt. Überflüssiger Aufwand an Kleidern ist ebenso untersagt wie Schmuck und andere Kostbarkeiten. Diese strenge Regel der Klarissen geht zum einen auf den von der heiligen Klara vertretenen Grundsatz der Besitzlosigkeit zurück. Das radikale Eingeschlossensein aber wird von der Kirche aufgezwungen, so dass die Klarissen „für die Welt begraben sind“, wie es die Ordensgründerin ausdrückt.
Zur „Klosterfamilie“ gehören über die Schwestern hinaus weitere Personen. Oft werden minderjährige Mädchen aus reichem Haus zur Erziehung und Versorgung ins Kloster gebracht, sicher gegen Kostenübernahme. Dies dient einmal der wirtschaftlichen Sicherung des Klosters und zum anderen dem personellen Fortbestehen. Häufig schließen sich diese Mädchen dem Kloster an.
Dem Kloster gehören aber auch Ordensleute an, sog. Konversen, die Armut, Keuschheit und Gehorsam geloben müssen. Diese verwalten und bewirtschaften den Klosterbesitz und übernehmen die geschäftlichen Beziehungen zur Außenwelt. Doch bereits im 14. Jh. gehen diese Aufgaben an weltliche Kräfte über, die in einem Dienstverhältnis zum Kloster stehen. Der Besitz des Klosters war beständig angewachsen, und es wird zum reichsten Frauenkloster Deutschlands. Schließlich stehen die Ordensgesetze in keinem Widerspruch zu einem Besitzerwerb und dessen Verwaltung, und die persönliche Armut der einzelnen Schwestern bleibt ja durch den Verzicht auf Privateigentum gewahrt.

Das Kloster als Wirtschaftsfaktor

Das Ulmische Urkundenbuch gibt Aufschluss über zahlreiche Schenkungen, Stiftungen, Kaufverträge und Tauschgeschäfte, die das Kloster zu einem finanzkräftigen Partner werden lassen. Hinzu kommt die „Mitgift“ der oft aus Adels- oder Patrizierfamilien stammenden Schwestern oder Vermächtnisse zu Gunsten einer Schwester. Bald besitzt das Kloster ein zusammenhängendes Gebiet um Söflingen mit Harthausen, dem Butzental und Ehrenstein. Hinzu kommen zahlreiche Besitzungen rund um Ulm im heutigen Alb-Donau-Kreis, sowie in weiterer Entfernung Weinberge, z.B. in Neuffen, Beutelsbach oder Stuttgart.
Außerdem werden dem Kloster immer wieder Patronatsrechte über verschiedene Pfarrkirchen zugesprochen. Ausdruck dieses herrschaftlichen Charakters über sein Gebiet ist z.B. die Söflinger Dorfordnung von 1392. Hier werden Rechte, aber auch Pflichten der Dorfbewohner zusammengestellt. Kriterien sind Landanbau, Viehhaltung, Zucht und Ordnung unter den Dorfbewohnern oder die Rechtsprechung.

Die Klosterreform 1484

Das 15. Jh. bringt ein einschneidendes Ereignis. Das Armutsideal des Franz von Assisi und der heiligen Klara wurde – auch durch päpstliche Regelungen – immer weniger streng ausgelegt. Besitz samt Einkünften daraus wurden nicht im Widerspruch zur Armutsforderung angesehen. Jetzt, ab dem Ende des 14. Jhs., breitet sich aber von Italien aus die sog. Observantenbewegung aus, die zurück zur ursprünglichen franziskanischen Strenge will. Schließlich gibt es seit dem Konzil von Konstanz 1415 innerhalb des Ordens zwei Richtungen – die Konventualen und eben die Observanten. Letztere betreiben mit aller Macht ihre Absicht, die Führung und Betreuung der Klöster zu übernehmen und suchen Unterstützung bei der weltlichen Herrschaft. Die Rückkehr zur Besitzlosigkeit und damit eine mögliche Übernahme des Klosterbesitzes durch Landesherren oder Städte – wie vielfach geschehen – weckt natürlich Begehrlichkeiten, und so finden die Observanten Unterstützung bei der Stadt Ulm.
Argumente der Reformer gegenüber dem Söflinger Kloster sind Verstöße gegen das Armutsideal – einzelne Schwestern haben einen ansehnlichen Privatbesitz –, Klausurverletzungen und der Vorwurf der Zucht- und Sittenlosigkeit. Außerdem wird der Vorwurf der Misswirtschaft erhoben, und das Klostergebäude ist zudem ziemlich heruntergekommen.
Zunächst können sich die Söflinger Klarissen gegen eine Übernahme wehren. Kaiser Friedrich III. stellt ihnen einen Schutzbrief aus, der die Stadt Ulm verpflichtet, „das Kloster in seiner Freiheit nicht zu hindern oder hindern zu lassen und es zu schützen“. Vorerst geht das Klosterleben weiter wie bisher. Doch 1483 erlässt Papst Sixtus IV. eine Bulle: das Ulmer Franziskanerkloster und das Söflinger Klarissenkloster, die sich beide erfolgreich behauptet hatten, kommen mit dem 9. Januar 1484 unter die Aufsicht der Observanten! Der größte Teil des Konvents mit der Äbtissin an der Spitze, die sich nicht unterwerfen wollen, müssen das Kloster verlassen und finden zunächst in Ulm und dann in Günzburg eine Unterkunft. Nach einem zweijährigen Streit gelingt ein Vergleich: Söflingen verbleibt bei den Observanten, diese müssen aber einen Schadensausgleich bezahlen. Die ausgewiesenen Schwestern und die Äbtissin dürfen auf Wunsch zurückkehren – allerdings leben sie jetzt unter einer anderen Äbtissin.
Die Söflinger Klarissen sind also jetzt aus ihrem seitherigen Ordensverband herausgelöst, jedoch wird Söflingen kein armes Kloster – im Gegenteil. Es herrscht nach wie vor ein lebhaftes Wirtschafts- und Geschäftsleben samt den seitherigen Herrschaftsrechten, nur die Zuwendungen an einzelne Schwestern werden untersagt. Und bald schon – 1492 – erfolgt ein nach außen hin sichtbares Zeichen dieser neuen Machtfülle: der Neubau des Klosters, allerdings nicht der Kirche. Diese sollte erst Ausgangs des 17. Jhs. völlig neu erbaut werden.
Nachhaltigstes Ergebnis der Reform von 1484 ist das Herauslösen des Söflinger Klarissenklosters aus dem seitherigen Ordensverband und die Aufnahme in den neu entstandenen Verband der Observanten. In dessen Statuten wird in 5 Kapiteln das klösterliche Leben festgelegt: Sie handeln vom Gehorsam, von der Armut, von der Reinheit, vom Gottesdienst und vom Stillschweigen.
Im Gegensatz zur Zeit vor der Reform wird jetzt z.B. nachdrücklich auf das Einhalten der Forderung nach persönlicher Armut geachtet – keine Schwester darf Privateigentum besitzen. Desgleichen wird der Kontakt der Schwestern zur Außenwelt sehr eingeschränkt: Es gibt keine freie Briefkorrespondenz, und nur kurze Besuche am Sprechgitter sind erlaubt. Auch der Zugang fremder Personen zum Kloster wird genau geregelt. Außerdem wird der klösterliche Gottesdienst in den Mittelpunkt gestellt – er muss allen Dingen vorangehen –, und das Einhalten des Stillschweigens wird nachdrücklich verlangt.
Jedoch wird das Kloster keinesfalls ein armes Kloster, vielmehr gehen das wirtschaftliche Leben und auch die künstlerischen Tätigkeiten nach wie vor weiter. Äußeres Zeichen dafür ist neben einem lebhaften Geschäftsleben samt den seitherigen Herrschaftsrechten der Neubau des Klosters außer der Kirche. In der Fraidel-Chronik ist darüber vermerkt: „1492 hat die Äbtissin M. Elisabeth Reichnerin von neuem und aus dem Grund und viel herrlicher als zuvor das Kloster Söflingen erbauet.“ Diese Klosteranlage sollte in dieser Form dann über 300 Jahre Bestand haben. Ein maßstabsgetreues Modell dieser Klosteranlage hat der frühere Mesner der Kirchengemeinde Mariä Himmelfahrt, Dieter Geiß, zusammen mit seiner Ehefrau in den Jahren 1990 bis 1993 angefertigt. Dieses Modell ist im Söflinger Heimatmuseum im Klosterhof zu bestaunen.
Bemerkenswerte künstlerische Aktivitäten innerhalb des Klosters sind kunstvoll geschriebene und mit beeindruckender Malerei geschmückte Handschriften, die im Ulmer Stadtarchiv oder in verschiedenen Staatsbibliotheken zu bewundern sind. Gleichzeitig gibt es eine reichhaltige Holzschnittproduktion, von der noch zwei Holzstöcke im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg zu finden sind.

Die Zeit der Reformation

Wir nähern uns dem Jahr 1517: Martin Luther schlägt an der Schlosskirche zu Wittenberg seine 95 Thesen an. 1530 dann bekennt sich die freie Reichsstadt Ulm – vertreten durch die Zünfte und die Patriziergeschlechter – mit 1602 gegen 257 Stimmen zum neuen Glauben. Schon zuvor gibt es aber immer wieder vergebliche Versuche, die Ulmer Klöster und auch das Klarissenkloster Söflingen in freie evangelische Klöster umzuwandeln. Doch 1531 schließlich werden die Klöster der Dominikaner und der Franziskaner in Ulm sogar aufgehoben.
Jetzt beginnt für das Kloster Söflingen mit ihrer mutigen und streitbaren Äbtissin Cordula von Reischach, die das Kloster von 1513 bis 1551 leitet, die Zeit einer beharrlichen Verteidigung seiner Selbstständigkeit. 1534 nämlich bestätigt Kaiser Karl V. die schon seit jeher bestehende Schirmherrschaft der jetzt protestantischen Stadt Ulm über das katholische Kloster Söflingen. Daraus leitet die Stadt neue Herrschaftsansprüche ab.
Zunächst bleibt aber alles „beim Alten“, ohne größere Reibereien. Zwar gehen schon seit 1531 katholische Ulmer zum Gottesdienst nach Söflingen, was von den Stadtoberen trotz aller Schikanen nicht unterbunden werden kann. Wenig später will die Stadt die katholischen Gottesdienste sogar auf das Klosterinnere beschränken. Unter dem Jahr 1542 ist in der Fraidel-Chronik deshalb folgendes zu finden: „Am 12. August verordnete ein löblicher Rat von Ulm einen Prediger auf Söflingen, welcher bei Sankt Leonhard seine erste und letzte Predigt gehalten.“
Gegen alle diese Bemühungen kann sich das Kloster erfolgreich wehren. Doch 1543 kommt es zum Eklat: Ulm schickt einen evangelischen Pfarrer nach Söflingen, lässt das Schloss der Dorfkapelle aufbrechen und beschließt die Einführung der Reformation! In einem bemerkenswert mutigen Brief an die Stadt Ulm verwahrt sich die Äbtissin mit Nachdruck gegen diese gewalttätige Verletzung der Söflinger Unabhängigkeit. Nur das Kloster selbst als „Obrigkeit der Söflinger“ dürfe über diese Angelegenheit beschließen!
Dieser entschiedene Widerstand des Klosters findet in Kaiser Karl V. einen mächtigen Befürworter: 1544 verbietet der Kaiser der Stadt Ulm, in Söflingen und in den dem Kloster unterstellten Kapellen die neue Lehre unter Ausnutzung ihrer Stellung als Schirmherrin zu predigen.
Diese Haltung des Kaisers spiegelt auch die damalige politische Lage wider. Ulm schließt sich dem Schmalkaldischen Bund an, einer Union evangelischen Fürsten und Reichsstädte. Karl V. gründet daraufhin die katholische Nürnberger Liga. Es kommt zum Krieg, die Schmalkaldener verlieren und müssen sich fortan bei der gewaltsamen Ausbreitung der Reformation zurückhalten. Auch alle späteren Versuche der Stadt bis ins 17. Jh. hinein, in Söflingen die Reformation einzuführen, sollten scheitern. So bleibt Söflingen das Schicksal anderer Klöster in evangelischen Regionen wie z.B. Esslingen, Pfullingen oder Nürnberg erspart, die aufgelöst werden – das Klarissenkloster Söflingen bleibt bestehen!


Bautätigkeiten

Weitere bedeutende Äbtissinnen sind neben der schon erwähnten Cordula von Reischach, die sich durch ihre Standfestigkeit vor und nach der Reformation ein Denkmal setzte, Euphrosina Rampf und Angela von Slawata. Ihre Zeit um 1700 ist durch eine rege Bautätigkeit bestimmt.
Um 1258 war eine einschiffige Kirche mit halbkreisförmiger Apsis und einem Zwiebelturm errichtet worden. Diese Kirche hatte den Neubau des Klosters 1492 überdauert. 1686 lässt Äbtissin Rampf – nach ihr ist der Weg vom Pfarrhaus bis hinter die Meinlohhalle benannt – diese erste Klosterkirche „aus unabänderlichen Gründen“ abreißen. Bereits 1687 erfolgt die Grundsteinlegung für die neue Kirche. Man vergrößert sie zwar nach Norden und Osten um je ein Drittel, jedoch wird sie den Ordensregeln entsprechend aber ein für die damalige Zeit äußerst bescheidener Bau. Die Pläne stammen von dem erst 18 Jahre alten Conrad Feichtmayr aus Bernried am Starnberger See. Unter der Äbtissin Angela von Slawata wird die Kirche vollendet und am 4. November 1693 geweiht.
Weitere Zeugnisse einer regen Bautätigkeit dieser Epoche sind vor allem die Franziskanerresidenz – heute Forsthaus – und das Bräuhaus. Zudem erfolgt die Randbebauung des Klosterhofs mit dem vorderen und hinteren Klostertor. Auf dem umliegenden Gebiet des Klosterterritoriums werden Kapellen erbaut: die Antoniuskapelle in Söflingen (um 1700), Kapellen in Eggingen (1695) und Schaffelkingen (um 1700), ebenso Kirchen in Harthausen (1697 - 1699) und in Ehrenstein (1724).

Die Reichsfreiheit

Inzwischen hatten sich die freie Reichsstadt Ulm und das Kloster arrangiert – Ulm anerkennt die Selbstständigkeit Söflingens. Im Gegenzug hatte schon die bedeutende Äbtissin Reischach die Teilnahme am Reichstag abgelehnt – das Kloster wolle sich von der Stadt vertreten lassen, als Teil von deren Schutz- und Schirmpflicht. Darin sah die Stadt aber immer wieder eine Chance, ihre Herrschaftsansprüche auszubauen und die Bestrebungen des Klosters nach einem freien Kreis- und Reichsstand zu hintertreiben.
Jetzt treten vermehrt Differenzen auf. Die Äbtissin Johanna Miller (1768 - 1774) will sich deshalb vom Schutz und Schirm der Stadt Ulm lösen. Sie stellt 1768 gewissermaßen als „Demonstration“ Weggeldschranken an den Söflinger Markungsgrenzen auf. Die Stadt protestiert und lässt die Schranken gewaltsam entfernen. In der Fraidel-Chronik heißt es: „Am heiligen Markustag kamen die Ulmer mit einem Kommando von 130 Mann und noch wohl bei 3 000 Menschen aus Vorwitz hierher. Das Kommando hieb die Schranken um . . .
Hier hat also der Prozess mit Ulm seinen Anfang genommen.“
Als weitere Konfrontationen seitens der Stadt erfolgen, verklagt die Äbtissin 1770 die Stadt beim Reichskammergericht in Wetzlar und beim Reichshofrat in Wien. Schließlich kommt es 1773 zum Vergleich: Ulm verzichtet auf „jegliche oberherrschaftliche Ansprüche über Söflingen“. Dafür erhält die Stadt die auf ihrem Gebiet liegenden Güter des Klosters in Mähringen, Lehr, Jungingen, Breitingen, Holzkirch, Lonsee, Langenau, Weidenstetten, Söflingen und Bermaringen.
1775 erfolgt ein zweiter bedeutender Schritt: Das Kloster wird in das „Reichsprälatenkollegium“ aufgenommen und hat damit Sitz im Reichsfürstenrat! Die Reichsäbtissin ist in weltlichen Dingen nur dem Kaiser gegenüber verantwortlich, übernimmt auch die hohe Gerichtsbarkeit und spricht bereits 2 Jahre später die ersten Todesurteile aus.
kloster_soeflingen_anno_1700.jpg
Klarissenkloster Söflingen Ansicht von Süden um 1700 gezeichnet von Konrad Albrecht Koch


Diese Unabhängigkeit ruft einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung hervor – besonders das Handwerk profitiert davon –, und vielleicht liegt in dieser Zeit der Ursprung des besonderen Selbstbewusstseins der Söflinger gegenüber der Stadt Ulm.

Das Ende des Klosters

Diese Reichsstandschaft soll aber letztlich nur 27 Jahre dauern. Erste Anzeichen eines bevorstehenden Endes sind in den Kriegswirren im letzten Jahrzehnt des 18. Jhs. zu finden. Immer wieder wird Söflingen von fremden Truppen besetzt, die ihren Tribut fordern. Alle diese Heimsuchungen bringen jedoch noch keine unmittelbare Gefahr für das Kloster. Doch der Friede von Lunéville 1801, der die französischen Revolutionskriege abschließt und durch den Frankreich das linke Rheinufer erhält, läutet das Ende des Klosters ein.
Schließlich müssen ja die deutschen Fürsten für ihre linksrheinischen Gebietsverluste entschädigt werden. Dies wird durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 geregelt, u.a werden die geistlichen Reichsstände säkularisiert. So kommt Söflingen wie auch Ulm zu Bayern.
Bayern nimmt aber diesen Beschluss einfach vorweg. Bereits am 2. September 1802 rücken bayerische Truppen in Söflingen ein. Jetzt ist der bayerische Kurfürst der neue Landesherr, und die Klarissen sind nun Pensionärinnen von Gnaden des neuen Herren. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig das Ende des Klosters, heißt es doch in den Bestimmungen: „Die Säkularisation der geschlossenen Frauenklöster kann nur im Einverständnis mit dem Diözesanbischof geschehen.“ Trotzdem beginnt Bayern mit den Vorbereitungen zur Aufhebung.
Zwar kann das Leben im Kloster zunächst weitergehen, doch am 21. März 1803 wird die Franziskanerresidenz im heutigen Forsthaus aufgelöst und durch einen vom Kurfürsten eingesetzten Beichtvater ersetzt. Weitere Verfügungen folgen: Die Klosterdiener werden entlassen, die Handwerksmeister dürfen auf eigene Rechnung arbeiten, und schließlich wird sogar die Klausur aufgehoben, später im August aber wieder eingeführt, und im Oktober wird die Klosterkirche zur Pfarrkirche bestimmt.
Als 1807 die Äbtissin stirbt, wird keine Nachfolgerin gewählt, vielmehr wird eine Priorin eingesetzt. 1809 verlegt die bayerische Regierung ein Feldlazarett ins Kloster – die Schwestern müssen es innerhalb von drei Tagen räumen! Trotz aller Proteste der Schwestern und der Söflinger müssen sie es am 26. April verlassen und gelangen über eine Zwischenstation im Schloss Dellmensingen an ihren Bestimmungsort Obermedlingen bei Lauingen in das dortige ebenfalls säkularisierte Dominikanerkloster.
Nun wird das Kloster zum Lazarett „umgebaut“ – die Zellen der Schwestern werden einfach „zusammengeschlagen und alles ausgebrochen“. Bereits im Juni wird das Lazarett aber nach Ulm verlegt. Das Kloster steht leer, und die Schwestern dürfen nach dem Herrichten des Gebäudes am 29. Mai 1810 wieder zurückkehren. Dies geschieht aber nicht grundlos. Denn mit dem Vertrag von Compiègne 1810 kommt Ulm und auch Söflingen zum Königreich Württemberg. Mit der Rückkehr – heute würde man sagen „Abschiebung“ – kann sich Bayern der Pensionsverpflichtungen für die Schwestern entledigen.
Ein gemeinsames Leben wie bisher ist aber für die Klarissen wegen der fehlenden wirtschaftlichen Grundlage nicht mehr möglich. Auf ihre Bitte hin gewährt ihnen König Friedrich die Fortdauer der klösterlichen Gemeinschaft und setzt eine Pension fest. Doch 1814 sollen sie wieder umziehen – erneut wird das Kloster für ein Lazarett benötigt. Nur vier Schwestern gehen nach Urspring bei Schelklingen in das dortige Benediktinerkloster, die anderen treten lieber aus dem Kloster aus – das Ende der klösterlichen Gemeinschaft ist besiegelt.
Das „äußere“ Ende des Klosters erfolgt 1818: Der Konventsbau wird von Amts wegen verkauft. Wohl aus Sorge um ihre Gesundheit – das Gebäude könnte ja wieder Lazarett werden, und dadurch könnten wie schon früher Krankheiten in den Ort eingeschleppt werden – wird es von 15 Bürgern ersteigert. Kurz darauf wird das Klausurgebäude abgebrochen, und 560 Jahre Geschichte sind endgültig „Geschichte“.

Danke für das zur Verfügungstellung des
Verfassers: Otto Schempp

Besucher:
Zurück zum Seiteninhalt